AIKIDO
AIKIDO in Heilbronn – Seit 1986 existiert unsere Aikido-Gruppe in Heilbronn. Als Abteilung gehören wir dem Judo Club Kano Heilbronn e.V. an, in dem verschiedene Kampfkünste bzw. Kampfsportarten zusammengefasst sind (www.judo-club-kano.de).
Haupttraining
Montag 19.30 – 21.30 Uhr
(danach Mattenabbau)
Aufbautraining
Freitag 20.00 – 21.30 Uhr
(danach Mattenabbau)
Probetraining ist jederzeit möglich.
Während der Schulferien findet i. d. R. kein Training statt.
Bei Interesse bitte nachfragen.
Trainingsort
Wartbergschule
Stielerstr. 20
74076 Heilbronn
AIKIDO
Aikido ist eine japanische Kampfkunst. Äußerlich erkennbar durch die schwarzen Hakama, die traditionellen japanischen Hosenröcke, deren Träger und Trägerinnen mindestens die Graduierung eines 1. Dans erreicht haben.
Aikido wirkt auf Betrachtende äußerst geschmeidig, anmutig und wenig kampfbetont. Das macht es attraktiv für Menschen, die keinen aggressiv wirkenden oder martialischen Weg der Selbstverteidigung suchen. Aber gleichzeitig den Wunsch haben können, ihren Körper und ihr Selbstbewusstsein (durch eine Kampfkunst) zu stärken. Vielleicht auch, um in bedrohlichen Situationen kein wehrloses Opfer zu sein. Trotzdem, so die Erfahrung, steht der Gedanke an Selbstverteidigung für die meisten, die mit Aikido beginnen, nicht im Mittelpunkt ihrer Entscheidung.
Meister Morihei Ueshiba
Aikido wurde von dem japanischen Meister Morihei Ueshiba (verstorben im April 1969) begründet. Ueshiba wird in den Texten immer als O-Sensei (der alte Meister, der alte Lehrer) bezeichnet. Sein Auftreten, seine Haltung, sein Charisma und seine außergewöhnlichen Fähigkeiten in puncto Kampfkunst machten ihn zu einer außergewöhnlichen Respektperson.
Zudem ist zu sehen, dass er, geboren 1883, zu einer Zeit aufwuchs, in der in Japan der traditionelle Budo Geist, der Geist der Samurai, noch einen wichtigen Stellenwert in der Gesellschaft Japans inne hatte und auch Ueshiba deutlich prägte. Wodurch ihm die Anerkennung im Budo und in weiten Kreisen der Gesellschaft sicher war. Den darüber hinaus gehenden Bekanntheitsgrad verdankte er allerdings seinen für diese Zeit und in diesen Kreisen als revolutionär zu deutenden philosophischen Betrachtungen der Kampfkünste, die er nach den Erfahrungen des zweiten Weltkrieges als alter Meister formulierte.
Denn bei Ueshiba wird der ursprüngliche Zweck der Kampfkunst radikal auf den Kopf gestellt und erfährt eine völlig neue Dimension, ein neues Verständnis. Aikido soll zu einer Haltung der Friedfertigkeit führen.
Kampfkunst sei für Menschen, die sich dieser Perspektive öffnen können, ein hervorragendes Übungsfeld. Körperliches und geistiges Training bilden eine Einheit, sind eins, gemäß der alten fernöstlichen Einsicht, dass Körper und Geist nicht zu trennen sind. „Der Feind“, das Feindselige, wird bei ihm nicht länger ausschließlich im Außen, bei den anderen, verortet. Auch im Inneren, in unserer persönlichen Geisteshaltung, gilt es, „das Feindselige“ zu überwinden. Falsche Sichtweisen, Egoismen jeder Art und das daraus resultierende ungerechte Handeln, sind als die tiefen Ursachen von Gewalt und Leid zu erkennen. Kampfkunst als Schulung des Geistes auf der Basis körperlichen Trainings darf anderen Menschen nicht schaden – im Gegenteil.
Die Praxis
Im Aikidotraining übt man vor allem Techniken und Bewegungsprinzipien. Betrachtet man längere Zeiträume, so übt man diese in hunderten und tausenden von Wiederholungen. Was durchaus japanisch oder traditionell fernöstlich und auch aus anderen Zusammenhängen bekannt ist.
Wie in Kampfkünsten üblich, greift eine Person an und eine verteidigt sich. Dabei werden die beiden Rollen Angreifer und Verteidiger ständig gewechselt. In der Regel nimmt jeder viermal die eine und viermal die andere Rolle ein. Beim Rollenwechsel verbeugt man sich gemäß der japanischen Etikette voreinander; eine Geste des Respekts und der Aufmerksamkeit, die den Geist, die Haltung der Praktizierenden, widerspiegelt.
In diesem „Übungsmodell“ lernt man die Realität ständig aus zwei Perspektiven kennen und spüren. Man übt, wie mit Energien, also z. B. Griffen oder Schlägen, die auf uns einwirken, klarzukommen ist. Wie ihnen begegnet werden kann. Auf der Matte wird schnell erfahrbar, wie wichtig körperliche und psychische Fähigkeiten sind – ein kontinuierlicher Prozess der Selbsterfahrung.
Dieser Blick auf mich selbst – ich hoffe als Lehrer sehr, dass die Aktiven im Aikidotraining neue Erkenntnisse über sich selbst sammeln können – ist die eine Seite des Lernens auf der Matte, die andere ist der Respekt, den ich bereit bin, für die Trainingspartnerinnen und -Partner aufzubringen und in einer positiven Form zu kommunizieren. Aikido bedeutet Gemeinsamkeit, gemeinsames Üben. Ich brauche die anderen und die anderen brauchen mich, wie in einem Team, das gut und effektiv kooperiert. Egoismus und Abwertung in jeglicher Form haben keinen Platz im Aikido. Diese Ethik gilt es zu verinnerlichen und Schritt für Schritt zu realisieren.
Richtiges Bemühen
Training bedeutet Anstrengung, bedeutet Selbstdisziplin. Mit der Zeit sollte Anstrengung nicht als so anstrengend empfunden werden und Selbstdisziplin nicht als Selbstunterdrückung. Das letztere wäre in der Ethik des Aikidos aus meiner Sicht sowieso völlig abzulehnen.
Es geht viel eher, durchaus oder gerade im Kontext von fernöstlich geprägten Philosophien oder Haltungen, darum, eine stimmige Form des „richtigen Bemühens“ zu finden.
Das mag in dieser Wortwahl als streng gedeutet werden. Schließlich schwingt im Begriff Bemühen Mühe, vielleicht gar Mühsal mit. Nein, richtiges Bemühen verstehe ich eher als eine Einstellung. Die sich nach und nach einstellt, wenn ich erkenne, das das, was ich tue, mir wertvoll ist. Dass sich darin ein Wert abbildet, den ich nicht missen möchte. Diese Einstellung, die Freude am Training, die Freude an der Gruppe etc., sollte meine Motivation zu üben stärker leiten, als momentane Befindlichkeiten. Dies alles drückt sich im Kanji Do aus. Es ist sehr geläufig in Japan. Vieles, was japanische Menschen praktisch ausüben, z. B. als Kunst oder als Handwerk, verstehen sie als Do. In der Regel bedeutet das, dass man eine Praxis sehr lange, häufig ein ganzes Leben lang, ausübt.
Technik und Bewegung
Im normalen Trainingsalltag geht es überwiegend darum, unterschiedliche Formen, Techniken, zu erlernen, die Aikido ausmachen. Das Erlernen von handwerklichen Techniken ist die Grundlage jeder Kunst, auch jeder Sportart, und auch in der Arbeitswelt wird man ohne die richtigen, fehlerfreien Techniken nicht sonderlich weit kommen. Im Aikido ist das nicht anders.
Um spezielle Techniken im Aikido einsetzen und als uke aushalten zu können, benötigt man gute körperliche und geistig-mentale Fähigkeiten. Beide Fähigkeiten sind eins, können im Aikido nicht wirklich getrennt werden und sind gemeinsam zu entwickeln. Im Training, im richtigen Training, findet dies permanent statt. Auch wenn wir keine Profi-Sportler sind und nie sein werden, wissen wir, dass, z. B. eine gut ausgebildete Rückenmuskulatur notwendig ist, um im Aikido rollen oder fallen zu können und dass man sich geistig konzentrieren können muss, um einen Schlag wenigstens abmildern zu können. Diese Dinge kann man im normalen Training recht schnell lernen, zumindest so weit, dass man gut partnerschaftlich miteinander üben kann. Im normalen Lebensalltag zusätzliche Übungen einzubauen, z. B. durch taiso (körperbezogene Gymnastik zur Stärkung des Ki) oder Übungen mit dem Bokken, werden diesen Weg zusätzlich unterstützen. Lehrgangsbesuche bieten weitere Möglichkeiten.
Ein anderes Thema ist der sehr diffizile Bereich der richtigen Bewegung. Techniken separat zu betrachten, also ohne die Dimension der Bewegung, ist im Aikido nicht angebracht. Die wenigsten Leute, die mit Aikido beginnen, sind allerdings Bewegungstalente. Das zeigt die Erfahrung und soll auch keine abwertende Bewertung ausdrücken. Bewegen wir uns im Sinne der Kampfkunst Aikido uneffektiv, müssen wir beginnen zu lernen, uns besser, eleganter, geschmeidiger, flüssiger zu bewegen. Gerade diese und ähnliche Attribute zeichnen die Effektivität und die Ästhetik des Aikidos aus. Wer ein bildhaftes Beispiel und Ideal benötigt, kann sich im Internet Videoausschnitte von Meister Hirokazu Kobayashi ansehen. Es ist der Lehrer, der mich im persönlichen Erleben auf der Matte im Dojo am tiefsten beeindruckt hat. In unserem Dojo orientieren wir uns an seinem Stil.
Halten wir fest: Wir richten beim Erlernen von Aikido unser Augenmerk zunächst auf den Bereich Technik und richtige Bewegung. Um hier auf ein gutes Niveau zu kommen, bedarf es spezieller körperlicher Fähigkeiten. Diese stellen sich ein, wenn wir ernsthaft und mit Freude trainieren (ohne Freude kein Aikido). Es ist unsere geistige Einstellung, die uns dabei leitet. Körperliche und geistige Fähigkeiten werden gemeinsam betrachtet, sie bedingen sich und sind eins. Ein guter Level ist erreicht, wenn wir begonnen haben, die Bewegungsästhetik des Aikidos zu verinnerlichen und uns in den Übungsformen darin ausdrücken.
Aiki
Wie gerade erwähnt, steht das Do im Begriff Aikido für den Weg des kontinuierlichen Übens. Ziele, die es zu erreichen gilt, die man unbedingt erreichen will oder gar glaubt zu müssen, werden in vielen fernöstlichen „Wegen“ eher mit großer Skepsis betrachtet. Sogar als Hindernis! Nämlich als Ausdruck eines unfreien Geistes. Der sehr fixiert ist, vielleicht sogar besessen, was häufig zu großem Leid führt oder führen kann. Buddhistisch betrachtet ein Geist, der nicht der Natur entspricht. In fernöstlicher Sicht redet man in der Einstellung zur Praxis lieber davon (das wäre die Alternative!), „sein Bestes zu geben oder getan zu haben“. Wenn man das sagen kann, ist alles gut.
Ai und Ki sind die Herzstücke des Aikidos. Sich ein Verständnis davon zu bilden ist wichtig.
aber weder Ai noch Ki lassen sich endgültig und festumrissen definieren. Lieber sollte man grundsätzlich offen dafür sein, was in diesen beiden Kanji alles mitschwingen kann.
Ai wird häufig mit Liebe übersetzt. Eine etwas andere Bedeutung erschließt sich, wenn Ai eher einen Zustand der Harmonie beschreibt, ein Tun und Denken, das etwas vereinigen und in Ausgleich bringen möchte. Hier kann einem persönlich und sozial sofort jede Menge einfallen. Im Training auf der Matte ist es im Sinne von Aikido notwendig, sich mit dem Ki der angreifenden Person zu vereinigen. Es anzunehmen und nicht zu blocken. Das Ki des Angreifers soll „nur“ geführt werden. Das ist das Ideal. Diesem Sinn dienen die vielen ausweichenden Bewegungsformen, das intuitive Finden der richtigen Distanz, die Präzision der Griffe und Verhebelungen, die typisch runden oder spiralförmigen Bewegungen, die gesamte Bewegungsästhetik, die Aikido charakterisiert.
Kaum ein anderes Kanji charakterisiert die fernöstliche Kultur, die fernöstlichen (alten) Philosophien mehr als das Kanji Ki. Ki beinhaltet Bewegung, Austausch, Transformation und ständige Zirkulation. Es existiert in den vielfältigsten Formen und auf allen Ebenen. Alle Phänomene lassen sich aus der Perspektive von Ki betrachten.
Als Menschen sollten wir ein Bewusstsein von den natürlichen Abläufen, Gegebenheiten und Funktionen des Ki entwickeln und unser Leben dahingehend in einer klugen Form ausrichten. Im Geiste des Aikidos hat das absolute Priorität! Um ein ganz einfaches Beispiel zu nennen: Sich mit reiner, frischen Luft zu versorgen (das Ki der Luft), ist Voraussetzung für die Gesundheit der Organe, für den Erhalt unserer natürlichen Vitalität. Bei Müdigkeit ist Schlaf angesagt, usw.
Weiterhin sollte uns klar sein, dass wir eingebunden und abhängig sind von uns übergeordneten Kreisläufen, die ebenfalls von Ki durchdrungen sind und sich in ihnen in den vielfältigsten Formen ausdrücken. Ich zitiere einen alten japanischen Meister, in diesem Fall kein Meister des Aikidos, der immer wieder darauf hinwies: „Ki makes form“. Erkennen wir also die Bedeutung dieser Aussage, erkennen wir Ki und pflegen es, so gut wir können. Entspannt, mit Freude und in einem guten, offenherzigen Geist. Für uns selbst und für alles, was darüber hinaus geht. Daher erlaube ich mir eine kleine Empfehlung zum Schluss: Sucht euch ein zu euch passendes Betätigungsfeld, ein „Hobby“, ein „do“, das Sinn macht und Struktur gibt. Aikido in einer Gruppe, in der Respekt herrscht und in der mit Freude praktiziert wird, wäre für den einen oder die andere sicher kein schlechtes Angebot. Wir in Heilbronn bemühen uns, so eine Gruppe zu sein.
Walter Richter, 4. DAN
im September 2024
AIKIDO
Aikido ist eine japanische Kampfkunst. Äußerlich erkennbar durch die schwarzen Hakama, die traditionellen japanischen Hosenröcke, deren Träger und Trägerinnen mindestens die Graduierung eines 1. Dans erreicht haben.
Aikido wirkt auf Betrachtende äußerst geschmeidig, anmutig und wenig kampfbetont. Das macht es attraktiv für Menschen, die keinen aggressiv wirkenden oder martialischen Weg der Selbstverteidigung suchen. Aber gleichzeitig den Wunsch haben können, ihren Körper und ihr Selbstbewusstsein (durch eine Kampfkunst) zu stärken. Vielleicht auch, um in bedrohlichen Situationen kein wehrloses Opfer zu sein. Trotzdem, so die Erfahrung, steht der Gedanke an Selbstverteidigung für die meisten, die mit Aikido beginnen, nicht im Mittelpunkt ihrer Entscheidung.
Meister Morihei Ueshiba
Aikido wurde von dem japanischen Meister Morihei Ueshiba (verstorben im April 1969) begründet. Ueshiba wird in den Texten immer als O-Sensei (der alte Meister, der alte Lehrer) bezeichnet. Sein Auftreten, seine Haltung, sein Charisma und seine außergewöhnlichen Fähigkeiten in puncto Kampfkunst machten ihn zu einer außergewöhnlichen Respektperson.
Zudem ist zu sehen, dass er, geboren 1883, zu einer Zeit aufwuchs, in der in Japan der traditionelle Budo Geist, der Geist der Samurai, noch einen wichtigen Stellenwert in der Gesellschaft Japans inne hatte und auch Ueshiba deutlich prägte. Wodurch ihm die Anerkennung im Budo und in weiten Kreisen der Gesellschaft sicher war. Den darüber hinaus gehenden Bekanntheitsgrad verdankte er allerdings seinen für diese Zeit und in diesen Kreisen als revolutionär zu deutenden philosophischen Betrachtungen der Kampfkünste, die er nach den Erfahrungen des zweiten Weltkrieges als alter Meister formulierte.
Denn bei Ueshiba wird der ursprüngliche Zweck der Kampfkunst radikal auf den Kopf gestellt und erfährt eine völlig neue Dimension, ein neues Verständnis. Aikido soll zu einer Haltung der Friedfertigkeit führen.
Kampfkunst sei für Menschen, die sich dieser Perspektive öffnen können, ein hervorragendes Übungsfeld. Körperliches und geistiges Training bilden eine Einheit, sind eins, gemäß der alten fernöstlichen Einsicht, dass Körper und Geist nicht zu trennen sind. „Der Feind“, das Feindselige, wird bei ihm nicht länger ausschließlich im Außen, bei den anderen, verortet. Auch im Inneren, in unserer persönlichen Geisteshaltung, gilt es, „das Feindselige“ zu überwinden. Falsche Sichtweisen, Egoismen jeder Art und das daraus resultierende ungerechte Handeln, sind als die tiefen Ursachen von Gewalt und Leid zu erkennen. Kampfkunst als Schulung des Geistes auf der Basis körperlichen Trainings darf anderen Menschen nicht schaden – im Gegenteil.
Die Praxis
Im Aikidotraining übt man vor allem Techniken und Bewegungsprinzipien. Betrachtet man längere Zeiträume, so übt man diese in hunderten und tausenden von Wiederholungen. Was durchaus japanisch oder traditionell fernöstlich und auch aus anderen Zusammenhängen bekannt ist.
Wie in Kampfkünsten üblich, greift eine Person an und eine verteidigt sich. Dabei werden die beiden Rollen Angreifer und Verteidiger ständig gewechselt. In der Regel nimmt jeder viermal die eine und viermal die andere Rolle ein. Beim Rollenwechsel verbeugt man sich gemäß der japanischen Etikette voreinander; eine Geste des Respekts und der Aufmerksamkeit, die den Geist, die Haltung der Praktizierenden, widerspiegelt.
In diesem „Übungsmodell“ lernt man die Realität ständig aus zwei Perspektiven kennen und spüren. Man übt, wie mit Energien, also z. B. Griffen oder Schlägen, die auf uns einwirken, klarzukommen ist. Wie ihnen begegnet werden kann. Auf der Matte wird schnell erfahrbar, wie wichtig körperliche und psychische Fähigkeiten sind – ein kontinuierlicher Prozess der Selbsterfahrung.
Dieser Blick auf mich selbst – ich hoffe als Lehrer sehr, dass die Aktiven im Aikidotraining neue Erkenntnisse über sich selbst sammeln können – ist die eine Seite des Lernens auf der Matte, die andere ist der Respekt, den ich bereit bin, für die Trainingspartnerinnen und -Partner aufzubringen und in einer positiven Form zu kommunizieren. Aikido bedeutet Gemeinsamkeit, gemeinsames Üben. Ich brauche die anderen und die anderen brauchen mich, wie in einem Team, das gut und effektiv kooperiert. Egoismus und Abwertung in jeglicher Form haben keinen Platz im Aikido. Diese Ethik gilt es zu verinnerlichen und Schritt für Schritt zu realisieren.
Richtiges Bemühen
Training bedeutet Anstrengung, bedeutet Selbstdisziplin. Mit der Zeit sollte Anstrengung nicht als so anstrengend empfunden werden und Selbstdisziplin nicht als Selbstunterdrückung. Das letztere wäre in der Ethik des Aikidos aus meiner Sicht sowieso völlig abzulehnen.
Es geht viel eher, durchaus oder gerade im Kontext von fernöstlich geprägten Philosophien oder Haltungen, darum, eine stimmige Form des „richtigen Bemühens“ zu finden.
Das mag in dieser Wortwahl als streng gedeutet werden. Schließlich schwingt im Begriff Bemühen Mühe, vielleicht gar Mühsal mit. Nein, richtiges Bemühen verstehe ich eher als eine Einstellung. Die sich nach und nach einstellt, wenn ich erkenne, das das, was ich tue, mir wertvoll ist. Dass sich darin ein Wert abbildet, den ich nicht missen möchte. Diese Einstellung, die Freude am Training, die Freude an der Gruppe etc., sollte meine Motivation zu üben stärker leiten, als momentane Befindlichkeiten. Dies alles drückt sich im Kanji Do aus. Es ist sehr geläufig in Japan. Vieles, was japanische Menschen praktisch ausüben, z. B. als Kunst oder als Handwerk, verstehen sie als Do. In der Regel bedeutet das, dass man eine Praxis sehr lange, häufig ein ganzes Leben lang, ausübt.
Technik und Bewegung
Im normalen Trainingsalltag geht es überwiegend darum, unterschiedliche Formen, Techniken, zu erlernen, die Aikido ausmachen. Das Erlernen von handwerklichen Techniken ist die Grundlage jeder Kunst, auch jeder Sportart, und auch in der Arbeitswelt wird man ohne die richtigen, fehlerfreien Techniken nicht sonderlich weit kommen. Im Aikido ist das nicht anders.
Um spezielle Techniken im Aikido einsetzen und als uke aushalten zu können, benötigt man gute körperliche und geistig-mentale Fähigkeiten. Beide Fähigkeiten sind eins, können im Aikido nicht wirklich getrennt werden und sind gemeinsam zu entwickeln. Im Training, im richtigen Training, findet dies permanent statt. Auch wenn wir keine Profi-Sportler sind und nie sein werden, wissen wir, dass, z. B. eine gut ausgebildete Rückenmuskulatur notwendig ist, um im Aikido rollen oder fallen zu können und dass man sich geistig konzentrieren können muss, um einen Schlag wenigstens abmildern zu können. Diese Dinge kann man im normalen Training recht schnell lernen, zumindest so weit, dass man gut partnerschaftlich miteinander üben kann. Im normalen Lebensalltag zusätzliche Übungen einzubauen, z. B. durch taiso (körperbezogene Gymnastik zur Stärkung des Ki) oder Übungen mit dem Bokken, werden diesen Weg zusätzlich unterstützen. Lehrgangsbesuche bieten weitere Möglichkeiten.
Ein anderes Thema ist der sehr diffizile Bereich der richtigen Bewegung. Techniken separat zu betrachten, also ohne die Dimension der Bewegung, ist im Aikido nicht angebracht. Die wenigsten Leute, die mit Aikido beginnen, sind allerdings Bewegungstalente. Das zeigt die Erfahrung und soll auch keine abwertende Bewertung ausdrücken. Bewegen wir uns im Sinne der Kampfkunst Aikido uneffektiv, müssen wir beginnen zu lernen, uns besser, eleganter, geschmeidiger, flüssiger zu bewegen. Gerade diese und ähnliche Attribute zeichnen die Effektivität und die Ästhetik des Aikidos aus. Wer ein bildhaftes Beispiel und Ideal benötigt, kann sich im Internet Videoausschnitte von Meister Hirokazu Kobayashi ansehen. Es ist der Lehrer, der mich im persönlichen Erleben auf der Matte im Dojo am tiefsten beeindruckt hat. In unserem Dojo orientieren wir uns an seinem Stil.
Halten wir fest: Wir richten beim Erlernen von Aikido unser Augenmerk zunächst auf den Bereich Technik und richtige Bewegung. Um hier auf ein gutes Niveau zu kommen, bedarf es spezieller körperlicher Fähigkeiten. Diese stellen sich ein, wenn wir ernsthaft und mit Freude trainieren (ohne Freude kein Aikido). Es ist unsere geistige Einstellung, die uns dabei leitet. Körperliche und geistige Fähigkeiten werden gemeinsam betrachtet, sie bedingen sich und sind eins. Ein guter Level ist erreicht, wenn wir begonnen haben, die Bewegungsästhetik des Aikidos zu verinnerlichen und uns in den Übungsformen darin ausdrücken.
Aiki
Wie gerade erwähnt, steht das Do im Begriff Aikido für den Weg des kontinuierlichen Übens. Ziele, die es zu erreichen gilt, die man unbedingt erreichen will oder gar glaubt zu müssen, werden in vielen fernöstlichen „Wegen“ eher mit großer Skepsis betrachtet. Sogar als Hindernis! Nämlich als Ausdruck eines unfreien Geistes. Der sehr fixiert ist, vielleicht sogar besessen, was häufig zu großem Leid führt oder führen kann. Buddhistisch betrachtet ein Geist, der nicht der Natur entspricht. In fernöstlicher Sicht redet man in der Einstellung zur Praxis lieber davon (das wäre die Alternative!), „sein Bestes zu geben oder getan zu haben“. Wenn man das sagen kann, ist alles gut.
Ai und Ki sind die Herzstücke des Aikidos. Sich ein Verständnis davon zu bilden ist wichtig.
aber weder Ai noch Ki lassen sich endgültig und festumrissen definieren. Lieber sollte man grundsätzlich offen dafür sein, was in diesen beiden Kanji alles mitschwingen kann.
Ai wird häufig mit Liebe übersetzt. Eine etwas andere Bedeutung erschließt sich, wenn Ai eher einen Zustand der Harmonie beschreibt, ein Tun und Denken, das etwas vereinigen und in Ausgleich bringen möchte. Hier kann einem persönlich und sozial sofort jede Menge einfallen. Im Training auf der Matte ist es im Sinne von Aikido notwendig, sich mit dem Ki der angreifenden Person zu vereinigen. Es anzunehmen und nicht zu blocken. Das Ki des Angreifers soll „nur“ geführt werden. Das ist das Ideal. Diesem Sinn dienen die vielen ausweichenden Bewegungsformen, das intuitive Finden der richtigen Distanz, die Präzision der Griffe und Verhebelungen, die typisch runden oder spiralförmigen Bewegungen, die gesamte Bewegungsästhetik, die Aikido charakterisiert.
Kaum ein anderes Kanji charakterisiert die fernöstliche Kultur, die fernöstlichen (alten) Philosophien mehr als das Kanji Ki. Ki beinhaltet Bewegung, Austausch, Transformation und ständige Zirkulation. Es existiert in den vielfältigsten Formen und auf allen Ebenen. Alle Phänomene lassen sich aus der Perspektive von Ki betrachten.
Als Menschen sollten wir ein Bewusstsein von den natürlichen Abläufen, Gegebenheiten und Funktionen des Ki entwickeln und unser Leben dahingehend in einer klugen Form ausrichten. Im Geiste des Aikidos hat das absolute Priorität! Um ein ganz einfaches Beispiel zu nennen: Sich mit reiner, frischen Luft zu versorgen (das Ki der Luft), ist Voraussetzung für die Gesundheit der Organe, für den Erhalt unserer natürlichen Vitalität. Bei Müdigkeit ist Schlaf angesagt, usw.
Weiterhin sollte uns klar sein, dass wir eingebunden und abhängig sind von uns übergeordneten Kreisläufen, die ebenfalls von Ki durchdrungen sind und sich in ihnen in den vielfältigsten Formen ausdrücken. Ich zitiere einen alten japanischen Meister, in diesem Fall kein Meister des Aikidos, der immer wieder darauf hinwies: „Ki makes form“. Erkennen wir also die Bedeutung dieser Aussage, erkennen wir Ki und pflegen es, so gut wir können. Entspannt, mit Freude und in einem guten, offenherzigen Geist. Für uns selbst und für alles, was darüber hinaus geht. Daher erlaube ich mir eine kleine Empfehlung zum Schluss: Sucht euch ein zu euch passendes Betätigungsfeld, ein „Hobby“, ein „do“, das Sinn macht und Struktur gibt. Aikido in einer Gruppe, in der Respekt herrscht und in der mit Freude praktiziert wird, wäre für den einen oder die andere sicher kein schlechtes Angebot. Wir in Heilbronn bemühen uns, so eine Gruppe zu sein.
Walter Richter, 4. DAN
im September 2024